Einige Astro-Kollegen weisen allerdings zu Recht darauf hin, dass es
sinnvoll sein kann, direkt etwas mehr auszugeben. Im Bereich von 50 bis 100
Euro finden sich gute Zeiss, Nikkon oder andere Qualitätsgläser bei diversen
Online-Auktionsplattformen. Auch bieten viele Astronomie-Händler in diesem
Preisbereich sehr brauchbare Gläser an. Gleiches gilt oft auch für den
heimischen Optiker. Bei Teleskopen bin ich sehr skeptisch gegenüber nicht auf
Astronomie spezialisierten Optikern, bei Ferngläsern sollte aber eigentlich
jeder vernünftige Optiker auch eine brauchbare Beratung leisten. Bleibt die
Frage, warum man direkt ein teureres Glas kaufen sollte. Die Antwort ist, dass
man dann wahrscheinlich ein "Glas für's Leben" erstanden hat. Bei einem
Billig-Glas steht irgendwann sicherlich einmal die Ablösung an. Aber, wie
gesagt: auch mit dem billigen Glas kann man sicherlich gerade als Einsteiger
sehr lange auskommen. Und wenn man noch nicht so recht weiß, ob man an der
Astronomie gefallen findet oder ein kleines Budget hat, dann ist man auch mit
dem Billig-Glas gut beraten. Entscheidet man sich für den Discounter, sollte man
ruhig mehrere Gläser auspacken und durchschauen. Gerade bei den billigen
Ferngläsern gibt es eine breite Serienstreuung. Da zahlt es sich aus, einige
Gläser durchzuprobieren. Man nehme das, was einem persönlich den besten
optischen Eindruck vermittelt.
Wichtig noch zu billigen (oder preiswerten? ;)) Zoom-Gläsern: eine hohe
Vergrößerung erfordert eine besonders gute Justierung der Optik. Gerade die ist
beim billigen Gerät nicht unbedingt gegeben. Auch das ist ein Grund, bei
Zoom-Gläsern nur die niedrigste Vergrößerung zu wählen.
Egal ob billig oder teuer: Das kleine Fernglas gestattet den Blick auf wesentlich mehr
Sterne als das bloße Auge. Im kleinen Wagen sieht man viele Sterne
beispielsweise nur dann, wenn man über einen halbwegs dunklen Himmel verfügt. Im
Fernglas erkennt man meist alle. Mit dem Fernglas kann ich mir
also die Sternbilder mit allen Ihren Sternen besser einprägen.
Ein Vorteil des Fernglases ist, dass man nur noch einen deutlich kleineren
Himmelsausschnitt (das Gesichtsfeld) sieht also mit bloßem Auge. Das ist
deswegen ein Vorteil, weil man sich an diese kleinen Ausschnitte gewöhnen muss.
Das Gesichtsfeld im Teleskop ist noch wesentlich kleiner. Im Fernglas hat man
noch einen vergleichsweise großen Überblick. Manche Objekte (z.B. die Plejaden)
kann man sogar nur im Fernglas in voller Pracht bewundern. Das Gesichtsfeld des
Fernglases entspricht annähernd dem des Suchers ("vernünftige" Sucher haben z.
B. 8x50 oder 9x50 - 6x30 oder ähnliches taugt nur zum Suchen, nicht aber zum
Finden ;)). Durch die Benutzung des Fernglases gewöhnt man sich also bereits an
den Anblick, den man später im Sucherfernrohr haben wird. Ich halte das für
einen entscheidenden Vorteil. Es erspart einem auch jede Menge Frust, sonst
steht man dann zum ersten Mal mit dem eigenen Teleskop draußen und findet als
Sucher-Ungeübter nichts. Ich selbst habe übrigens nicht mit dem Fernglas
angefangen und kenne diesen Frust daher nur zu gut. Nach meinen ersten
Misserfolgen bin ich nur mit dem Sucher bewaffnet "über den Himmel spaziert" und
habe dabei Gesichtsfeld und Navigation mit dem Sucher gelernt. Beides hätte ich
auch schon mit dem Fernglas üben können - wenn ich nur damit angefangen hätte.
Womit wir beim zweiten Punkt sind: man kann eben auch die
Navigation, "Starhopping" genannt,
mit dem Fernglas erlernen. Dabei geht es darum, das man sich von Stern zu Stern
"hangelt", um zu einem bestimmten Punkt im Himmel zu gelangen. Das muss man z.B.
machen, um alle Sterne eines Sternbilds im Fernglas zu sehen. Denn Sternbilder
nehmen sehr viel mehr Platz am Himmel ein, als im Gesichtsfeld des Fernglases
zur Verfügung steht. Starhopping hört sich einfach an, will aber geübt sein.
Sonst findet man sich nämlich schnell in Himmelsregionen wieder, in die man gar
nicht wollte (auch hier spreche ich aus Erfahrung ;)). Es ist ein tolles
Erfolgserlebnis, wenn Starhopping mit dem Fernglas auf einmal
funktioniert (und zwar wiederholbar und an verschiedenen Objekten). Wenn man es
erst einmal beherrscht, kann man sich auch an hellere Deep-Sky Objekte heran
trauen. Auch die erkennt man im Fernglas, zumindest als verwaschene
Nebelflecken. Diese Objekte zu finden macht sehr viel Spaß. Und später am
Teleskop weiß man, wonach man im Sucher Ausschau halten muss. Ein weiteres tolles Objekt für das Fernglas ist der Mond. Dort lassen sich
bereits viele Details erkennen. Nicht so toll sind Planeten. Am ehesten kann man
Jupiter samt den galileischen Monden betrachten. Das ist es dann aber auch schon
gewesen. Am Planeten ist
Vergrößerung wichtig und die bietet das Fernglas nicht. Ich persönlich finde es
unergiebig, mit dem Fernglas auf Planetenjagd zu gehen.
Wie man sieht, kann man also alles außer Planeten schon sehr gut mit dem
Fernglas beobachten. Neben der Übung bringt das Fernglas dem angehenden
Hobby-Astronomen aber noch etwas weiteres Wichtiges mit: es hilft, die eigene
Begeisterung für Astronomie zu prüfen. Leider sind die Gerätschaften (Teleskope,
Okulare, ...) nicht gerade billig. Bevor man "so richtig" zulangt, sollte man
also schon wissen, ob man sich voraussichtlich dauerhaft für Astronomie
interessiert. Viele Einsteiger denken bei "Astronomie" an hoch auflösende
Hubble-Bilder. Das ist gar nicht verwunderlich. Schließlich sind solche Bilder
sogar in der Werbung für billigste Kaufhaus-Teleskope zu finden. Wer
Hubble-Qualität erwartet, wird beim ersten Blick durchs Teleskop bitter
enttäuscht sein. Denn das, was man dort sieht, liegt näher an dem Bild im
Fernglas als an Hubble. Nebel bleiben nebelig, ein richtig buntes Farbmeer wird
man mit eigenen Augen im eigenen Teleskop wohl eher selten sehen. Auch die
feinen Strukturen in vielen Galaxien sieht man erst nach viel Übung und mit
entsprechend großem (und teueren!) Gerät und dunklem Himmel.
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