Zur Förderung des astronomischen Unterrichts haben sich in verschiedenen
Bundesländern einige "ProAstro"-Initiativen gebildet. Da ich mich in diesem
Umfeld häufiger zu Wort melde, möchte ich in diesem Papier hier meine Position
darlegen.
Auch wenn in den momentan für mich relevanten Bundesländern Bayern und
Baden-Württemberg momentan keine solche "ProAstro"-Initiative existiert, begrüße
ich die Bewegung eindeutig. Meine Grundmotivation habe ich in dem Papier "Warum
Kinder an die Astronomie heranführen" dargelegt. Jede Initiative, die das
astronomische Interesse der Kinder fördert, ist begrüssenswert. Ich hoffe,
jedoch, dass sich die ProAstro-Initiativen nicht hauptsächlich der Verankerung
des Astronomie als Schulfach in der Sekundarstufe verschreiben. Dies könnte
durchaus der Fall sein, da die Grundidee der Initiativen auf die Verhinderung
der Abschaffung des Astronomie-Unterrichts in einigen östlichen Bundesländern
zurück geht. Astronomischer Unterricht in der Sekundarstufe ist natürlich
erstrebenswert, aber eine Fokussierung nur darauf erscheint mir persönlich zu
kurz gegriffen. Ich verspreche mir von den Initiativen folgendes:
- Förderung des astronomischen Interesses (und natürlich auch des
Wissens) im gesamten Entwicklungsprozess eines Kindes: von der
Vorschule (Kindergarten und vorher) über Grundschule bis in die
weiterführenden Schulen. Hierzu gehört explizit auch politische
Lobby-Arbeit.
- Förderung des astronomischen Wissens bei Lehrern (nur was ich
selbst verstehe kann ich auch vermitteln)
- Schaffung von
- einer zentralen Anlaufstelle für Fragen aller Art aus diesem
Umfeld
- didaktisch wertvollem, kostengünstigen (möglichst freien)
Materials (hierunter kann auch der Aufbau von Online-Seminaren
zwecks flächendeckender Versorgung fallen)
- Aufbau eines bundesweiten Referentenpools, an den sich
Bildungseinrichtungen zwecks Vorträgen, Sternführungen und sonstigen
Aktivitäten wenden können. Die Referenten sollten kostengünstig,
möglichst ehrenamtlich, aktiv sein. Zum Aufbau eines solchen Pools
gehört nicht nur das Finden geeigneter Referenten, sondern auch die
Schulung derselben.
- Ausweitung der Öffnung von astronomischen Forschungseinrichtungen
auch für Kinder (Tage der offenen Tür, Beobachtungsmöglichkeiten,
Führungen - Zielsetzung: Motivation erhöhen).
- Ausrichtung von Wettbewerben, die Kinder aller
Altersklassen zur Beschäftigung mit Astronomie anregen.
- Ermöglichung eines Austauschs aller an diesem Thema interessierten
Personen mittels Internet-Angeboten und auch persönlichen Treffens sowie
anderer geeigneter Angebote
- Vernetzung und Kooperation mit allen mit dem Thema befassten
nationalen und internationalen Organisationen
- Sensibilisierung der breiten Öffentlichkeit für das Thema
Meine Wunschvorstellung gehen wahrscheinlich weit über das von den
Initiativen selbst Angedachte hinaus. Aber das muss mich ja nicht abhalten,
auch ein wenig zu träumen. Um die Ziele, oder auch nur einen Teil davon, zu
erreichen, erscheint mir Folgendes wichtig:
- Wir dürfen uns nicht einseitig nur auf die Einführung eines
Curriculum-Faches "Astronomie" ausrichten. Dies gilt natürlich nicht
dort, wo das Fach bereits besteht und seine Abschaffung verhindert werden
soll. Aber selbst dort sollte es nicht das einzige Ziel sein. Wir dürfen uns
der Erkenntnis nicht verschließen, dass das Schulsystem heute
unterfinanziert ist und auch an diversen anderen Defiziten leidet. Ein
eigenes Curriculum-Fach dürfte daher nur sehr langfristig durchzusetzen
sein. Außerdem ist es natürlich nur an den weiterführenden Schulen überhaupt
sinnvoll durchsetzbar. Das würde aber den aus meiner Sicht immens wichtigen
Grundschulbereich (und auch den Kindergarten) wieder ausschließen. Ich
persönlich kann auch sehr gut mit einer Integration des
Astronomie-Unterrichts in andere naturwissenschaftliche Fächer leben.
Wichtig ist aber, dass Astronomie ernsthaft vermittelt wird - und nicht nur
als "Feigenblatt" herhalten muss. Gerade durch seinen fächerübergreifenden
Charakter und seine motivierenden Fragestellungen ist es meiner Meinung nach
möglich, die Schüler während Ihrer gesamten Schullaufbahn mit astronomischen
Fragestellungen in Verbindung zu bringen, ohne dazu ein eigenes Fach zu
begründen.
- Förderung der Astronomie auch im außerschulischen Bereich. Gerade
das Engagement von Volkssternwarten, Planetarien aber auch einzelnen
Amateuren ist sehr wichtig für die Weckung des Interesses.
- Wir sollten uns pragmatischen Lösungen öffnen. Ich persönlich
halte das "Jetzt" und "Schnell" für wichtiger als Jahr(zehnte)lange
Grundsatzdiskussionen. Wir können sicherlich mit persönlichem Engagement und
der Schaffung einer zentralen Anlaufstelle (und entsprechendem Material -
s.O.) bereits heute sehr viel erreichen. Warum also zögern?
- Keine Zersplitterung nach Bundesländern! Selbstverständlich
(warum eigentlich?) unterliegt die Bildungshoheit der bundesdeutschen
Kleinstaaterei, pardon, dem Föderalismus, und ist somit Ländersache. In
diesem Sinne müssen natürlich alle direkt an die Kultusministerien
gerichteten Aktionen auf Landesebene erfolgen. Von daher sind regionale
Initiativen zwingend erforderlich. Das darf aber nicht darüber hinweg
täuschen, dass der überwiegende Anteil der Aufgaben durchaus bundesweit
angegangen werden kann. Gerade im Hinblick auf die Erlangung einer
hinreichenden Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit ist dies meiner Meinung
nach sogar zwingend erforderlich. In diesem Sinne halte ich die Bildung
einer bundesweiten Initiative für immens wichtig.
- Einbindung möglichst vieler bereits etablierter Organisationen.
Vor allen Dingen die VDS als größter
deutscher Verband erscheint mir wichtig. Ich bin mir allerdings nicht
sicher, ob das VDS-Jugendreferat VEGA
sich wirklich als bundesweite Interessenvertretung versteht. Ich meine hier
einen stark regionalen Bezug zu verspüren, der sich meines Erachtens auch in
der (neuen, zustäzlichen?) Namengebung ProAstro-Berlin ausdrückt. Hier wäre
sicherlich ein Dialog sinnvoll. Erstrebenswert erscheint mir auch die
Einbindung der großen deutschsprachigen Astronomie-Foren. Und auch eine
Ansprache der Lehrerverbände wäre sicherlich sinnvoll.
- Wir müssen das Thema auch unter uns Amateurastronomen bekannt machen.
Jeder Einzelne hat die Möglichkeit, hier eine wichtige Rolle zu spielen.
Aber auch dazu müssen die Leute entsprechend motiviert werden -
zuallermindest muss man es wissen ;)
Ich kann mir natürlich noch eine ganze Menge von sinnvollen Maßnahmen denken,
vor allem auch im Bereich der Pressearbeit. Voraussetzung dafür ist aber
zunächst einmal eine "funktionierende" Bundesinitiative. Daher habe ich mich mit
weiteren Details zurück gehalten.
Ich hoffe, meine Zielvorstellungen und Umsetzungsvorschläge sind ein
nützlicher Beitrag zur aktuellen Diskussion. Ich verbinde sie mit dem Wunsch,
möglichst greifbare Ergebnisse für die Förderung von Kindern und Jugendlichen zu
erreichen.
Für weitere Anregungen bin ich sehr dankbar. Man sende mir einfach eine Mail
an rgerhards@adiscon.com.
Copyright (C) 2006 Rainer Gerhards
Stand: 2006-12-27
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