Die Freude am Hobby Astronomie ist also nicht die Weltraumreise á la Hubble.
Es geht vielmehr darum, die Strukturen selbst zu finden, selbst zu sehen und
sich auch mit den beobachteten Objekten auseinander zu setzen. Das sind
zumindest meine persönlichen Hauptmotivationen (Astro-Fotografen haben
offensichtlich auch ein großes Interesse an Bildgewinnung und -bearbeitung).
Insgesamt ist in der (Amateur-)Astronomie sehr viel Geduld gefragt. Außerdem
sieht man Sterne nur im Dunklen - am besten natürlich in klaren, bitter kalten
Winternächten. Abgesehen vom Spätsommer und Herbst ist die Astronomie also
durchaus auch ein Hobby, bei dem man viel im Kalten steht.. Manche Leute merken
leider zu spät, dass ihnen das nicht zusagt. Nämlich dann, wenn sie schon viel
Geld für Teleskop und Zubehör ausgegeben haben. Wer mit dem Fernglas anfängt,
dem bleibt dieses Schicksal erspart. Wie wir gesehen haben, bietet das Fernglas
schon ein vollwertiges "astronomisches Beobachtungsprogramm", wenn auch mit
weniger schön aufgelösten Objekten. Die Freude des am Himmel Zurechtfindens und
der Beschäftigung mit den Objekten ist beim Fernglas eigentlich genau so groß
wie beim Teleskop. Von daher bin ich 'mal so mutig zu sagen: wer mit dem
Fernglas "dabei bleibt", wird mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch dauerhaft
Freude an der Astronomie finden. Auch der Umkehrschluss ist meiner Meinung nach
richtig: wer mit dem Fernglas keinen Spaß an der Astronomie findet, der wird
wahrscheinlich auch mit einem großen Teleskop nicht lange dabei bleiben. Das
Fernglas ist also auch ein schönes Mittel, um das eigene Interesse an der
Astronomie kostengünstig auf die Probe zu stellen.
An dieser Stelle werfen wiederum einige Astro-Kollegen ein, dass das Fernglas
eventuell zu wenig "Aha-Erlebnis" bietet, weil die Objekte eben doch nicht so
klar erkennbar sind wie im Teleskop. Auch dieser Einwand ist sicherlich richtig.
Ich persönlich bin allerdings der Meinung, dass das "Aha-Erlebnis" etwas sehr
subjektives ist. Ausgehend von den bekannten Hubble-Bildern (oder denen von
Großsternwarten) ist der Einsteiger sehr oft bitter enttäuscht, wenn er zum
ersten Mal durch das Fernglas schaut (und das erst recht, wenn es sein soeben
neu erworbenes ist...). Selbst, wenn man sich vorher mit Einsteigerliteratur
beschäftigt hat, ist dieses Problem nicht gänzlich gelöst: auch die Fotografien
in diesen Werken sind nun einmal Fotografieren. Die Autoren verwenden
dummerweise oft auch noch Aufnahmen von großen Teleskopen, die ich dann im
typischen Einsteigergerät gar nicht wieder erkenne. Hinzu kommt, dass man
visuell nun eben einen anderen Eindruck hat. Und wer ungeübt ist, sieht ohnehin
zu Anfang sehr viel weniger.
So wie ich das erlebt habe, sind der Saturn, einige wenige Sternhaufen (z.B.
M13), Doppelsterne und wohl auch der Orion-Nebel geeignet, das "Aha-Erlebnis"
beim astronomisch bisher nicht bewanderten hervor zu rufen. Selbst mit Jupiter
und seinen Monden wird es teilweise schon schwierig. Ich persönlich halte es
daher nicht unbedingt für sinnvoll, wegen dieser vergleichsweise wenigen Objekte
direkt mit einem Teleskop anzufangen. Außerdem darf man die Schwierigkeiten beim
Auffinden im Teleskop nicht unterschätzen, die können einem Anfänger den Spaß an
der Astronomie schon heftig verderben (zumindest ist das meine persönliche
Erfahrung ;)).
Das Fernglas ist meiner Meinung nach das ideale
"Einstiegsgerät". Bei niedrigsten Kosten ermöglicht es
- kennen lernen des Sternhimmels
- erlernen des Starhopping
- Freude an den gefundenen Objekten
- einen schönen Einblick, was einen am Himmel erwartet
- Übung der notwendigen Geduld
- Das Fernglas wird für einen Hobbyastronomen nie überflüssig, es ist auch
neben großen und teueren Teleskopen sehr nützlich.
Die ideale Kombination zum Fernglas ist natürlich der Besuch von
Volkssternwarten oder Hobby-Astronomen in der Umgebung (viele von uns haben
einen wahren "missionarischen Eifer", daher sollte es problemlos möglich sein,
zur Beobachtung eingeladen zu werden). Da schaut man dann durch
möglichst viele verschiedene Teleskope (das bringt auch die
"Aha-Erlebnisse") und holt sich Tipps. Wenn dann der Kauf
des ersten eigenen Teleskops ansteht, weiß man schon sehr genau, wofür man sich
interessiert und kennt auch schon einige Geräte. Damit sollte die Entscheidung
für ein Teleskop sehr viel einfacher fallen. Auch das Risiko eines Fehlkaufs
dürfte dann wesentlich geringer sein. Wie man andere Hobby-Astronomen aus der
Umgebung findet, habe ich in meinem Artikel "Wo
kann ich Mitbeobachten?" beschrieben.
Ich hoffe, diese Anregungen sind hilfreich für den Anfang in der Astronomie.
Ich habe leider direkt mit dem Teleskop angefangen, war sehr ungeduldig und habe
dann relativ "hart" lernen müssen, dass kleine Schritte sich rechnen. In diesem
Sinne wünsche ich viel Spaß an der Astronomie und einen allzeit sternklaren
Himmel!
Für Fragen oder Kommentare bin ich gerne unter
rgerhards@adiscon.com zu erreichen.
Rainer Gerhards
Ich möchte mich ganz besonders bei den folgenden Sternfreunden bedanken, die
mir im Astrotreff eine Reihe von schönen Anregungen zu diesem Artikel gegeben
haben: Michael55plus, Alpha SCO, Mootz GMS
Copyright (C) 2006 Rainer Gerhards
Fotos: Rainer Gerhards
Letzte Aktualisierung: 2006-11-05
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