Ich bin begeisterter Hobby-Astronom. Dabei bin ich weit davon
entfernt, ernsthaftes astronomisches Wissen zu besitzen. Nein, vielmehr bewege
ich mich auf (hoffentlich gehobenem) Anfänger-Niveau. Verleitet mich nun meine
Begeisterung für dieses Hobby dazu, ihm zu hohe Wichtigkeit beizumessen? Und bin
ich daher irriger Weise der Meinung, man müsste Kinder "mit Astronomie
traktieren"?
Nun ... ausschließen kann ich das natürlich nicht. Aber ich denke, es
gibt eine ganze Reihe von vernünftigen Gründen, Kinder frühzeitig an Astronomie
heran zu führen. Und da ich mittlerweile in diversen Foren on- und offline über
dieses Thema mitdiskutiere, ist es wohl an der Zeit, einmal meine Einstellung
zusammen zu fassen. Dann kann ich auch immer wieder darauf verweisen.
Um direkt mit einem potentiellen Missverständnis aufzuräumen: ich bin
sehr für astronomische Inhalte in der Schule. Ich halte es aber für unzureichend
(und auch für wenig zielführend), sich nur auf die Einführung eines Schulfaches
stark zu machen. Auch setzt die schulische Bildung eigentlich schon viel zu spät
ein. Auch Kindergarten-Kindern kann man bereits erste astronomische Erlebnisse
verschaffen.
Aber der Reihe nach: warum also Astronomie für Kinder? Astronomie ist
eine der/die (je nach Standpunkt;)) älteste Wissenschaft. Der gestirnte Himmel
hat die Menschen schon immer begeistert und viele Fragen aufgeworfen. Wer sich
mit Astronomie beschäftigt, wird zwangsläufig auch auf Physik, Mathematik, ja
sogar Philosophie und Theologie stoßen. Die Astronomie legt den Grundstein für
das Interesse an einer Vielzahl von Wissenschaften und bietet obendrein einen
breiten Anwendungs- (Übungs-!) Bereich für diese. Darüber hinaus werden auch
Tugenden wie Geduld, Zusammenarbeit, Konzentration und Beobachtung geschult, ja,
sind geradezu Voraussetzung. Natürlich darf man all' dies den Kindern nicht
"einpauken". Aber auf kindgerechte Weise vermittelt, die natürliche Neugier
nutzend, lässt sich ein nachhaltiges Interesse für (Natur)wissenschaften wecken.
Dabei muss man wissen, dass bei der Entwicklung jedes einzelnen Menschen
sogenannte "sensible Phasen" gibt. In diesen Phasen ist man für bestimmte
Themengebiete aufnahmefähige als zu allen anderen Zeiten des Lebens. Die meisten
Kinder werden, kaum das sie sprechen können, ihre Eltern mit vielen Fragen
"traktieren". Sie sehen die Welt und möchten wissen, wie sie funktioniert. Diese
natürliche Neugier gilt es zu nutzen und zu erhalten. Selbstverständlich kann
man einem Dreijährigen nicht die tiefen Geheimnisse der Himmelsmechanik
erklären. Aber man kann mit ihm behutsam z.B. die Mondphasen durchsprechen.
Dabei darf man natürlich nicht erwarten, dass das Kind sofort alles im
Gedächtnis behält. Aber der Grundstein zum "Ah, man kann die Welt erklären!" ist
gelegt und das Kind wird voraussichtlich immer weitere Fragen stellen. Mit
zunehmendem Alter können die Themen an Tiefe zunehmen. Meiner Erfahrung nach
braucht man auch keine Angst davor zu haben, dem Kind "zu viel" zu erklären.
Geht man zu tief, wird man unverständlich, so wird das Interesse des Kindes an
der Unterhaltung relativ rasch abnehmen. Davon darf man sich natürlich nicht
entmutigen lassen. Nachdenken, ob man hinreichend kindgerecht erklärt hat, darf
man aber durchaus. Nicht selten wird ein Kind uns jedoch weit länger
Aufmerksamkeit schenken, als wir in unseren kühnsten Träumen erwartet haben.
So lange das Kind nur von sich aus zuhört (also nicht gedrängt wird!) kann man
es einfach nicht überfordern. Es ist also überhaupt nicht angebracht vor
"nicht-kindlichen" Themen falsche Scheu an den Tag zu legen.
Im deutschen Bildungswesen werden Kinder leider viel zu spät an die
Wissenschaften (gerade die Naturwissenschaften) herangeführt. Wie soeben
bemerkt, liegt die kindliche Entdeckungswut eigentlich eher im Bereich der
Kindergartenzeit. Auch in der Grundschule bieten sich vielfältige Fragen, die
zur Entfachung des wissenschaftlichen Interesses genutzt werden können. In der
Sekundarstufe, da, wo wir üblicherweise mit Fächern wie Physik und Chemie
beginnen, ist es demgegenüber schon zu spät. Die sensible Phase für eigenes
Interesse (intrinsische Motivation) an den Themen ist längst vorbei. Kein
Wunder, dass viele Jugendliche sich dann mit diesen Fächern nicht mehr
anfreunden können. Und ohne rechtes Verständnis der simpelsten Zusammenhänge
ist es kein Wunder, wenn sich heute viele Jugendliche in die Esoterik flüchten.
Denn die bietet (viel zu) einfache Erklärungen für die (ihnen nun)
unverständliche Umwelt. Dem gilt es rechtzeitig entgegen zu wirken! [Der
Volkswirt würde jetzt übrigens erwähnen, dass Deutschland als rohstoffarmes Land
auf Gedeih und Verderb auf Wissen und Kreativität seiner Kinder angewiesen ist
... aber lassen wir das 'mal unberücksichtigt.]
Ich bin daher keinesfalls der Meinung, dass Astronomie der alleinige
"Heilbringer" für unsere Kinder ist. Ich denke aber, dass sie vielfältige
Anknüpfungspunkte bietet, den Kindern die Welt anhand ihrer eigenen Fragen zu
beantworten. Klassiker dürften wohl sein "Warum sieht der Mond immer anders
aus?", "Wieso
gibt es Sommer und Winter?", "Wieso fällt der Mond nicht vom Himmel?",
"Warum wandert die Sonne über den Himmel?" ... und viele andere mehr. Dieses
Potential gilt es zu nutzen, vernünftige Erklärungen zu liefern und gleichzeitig
die Methodik des Hinterfragens, Prüfens und Abwägens mit zu vermitteln. Die
Astronomie ist im übrigen wie kaum eine andere Disziplin dazu geeignet, die
"ganz großen Fragen" ("Wie ist die Welt entstanden?", "Warum sind wir?")
aufzuwerfen ... und uns klar zu machen, wie wenig wir eigentlich wissen - und
wie unbedeutend die Menschheit eigentlich ist.
Für weitere Anregungen bin ich sehr dankbar. Man sende mir einfach eine Mail
an rgerhards@adiscon.com.
Copyright (C) 2006 Rainer Gerhards
Stand: 2006-12-26
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